Ohne geht's gar nicht!

Ein Gespräch mit Matthias Peiniger, Direktor des GOP Varieté und Mitglied der Jury des 6. Essener Selbsthilfepreises über Lebensfreude, Ehrenamt und das Nordviertel

WIESE e.V.: Herr Peiniger, sind Sie ein fröhlicher Mensch?

Matthias Peiniger: Durch und durch. Das kann ich mit Fug und Recht behaupten. Das ist auch eine Grundvoraussetzung, damit ich den Posten, den ich als Direktor des GOP Varieté-Theaters habe, gut ausführen kann.

Wie zeigt sich Ihre Fröhlichkeit?

Peiniger: Ich denke, dass ein Teil meiner Personalführung auch darauf basiert. Unsere Gäste spüren das. Die sagen, wenn sie unser Theater betreten, dass alles sehr harmonisch und sehr nett ist. Und die Mitarbeiter sollen das nicht vorspielen, wir wollen Fröhlichkeit leben.

Wir haben gerade eine Umfrage unter Selbsthilfegruppen ausgewertet. Ein Ergebnis lautet: Die Selbsthilfegruppe hat mir die Lebensfreude, den Lebensmut zurückgebracht. Das waren ca. achtzig, neunzig Prozent von ca. 500 Befragten. Warum ist Lebensfreude wichtig? Wie wichtig ist Lebensfreude?

Peiniger: Das ist eine spannende Frage. Ich denke, wir sehnen uns eigentlich alle danach. Wir alle haben es täglich in der Hand dazu beizutragen, dass wir diesen Wunsch weiterverfolgen, dass wir ein Leben leben, in dem wir auch Freude empfinden können. Natürlich ist das unterschiedlich schwierig. Und deshalb gibt es ja die vielen Selbsthilfegruppen. Denn jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Wir können uns gemeinsam helfen. Wir haben die Möglichkeit das Bündel der Last erträglich zu machen, so dass wir das Leben als lebenswert empfinden können.

Wie setzen Sie das in Ihrem Varieté um?

Peiniger: Lebensfreude ist der eigentliche ständige Programminhalt. Die Akteure auf der Bühne verkörpern alle und jeder für sich diese Art der Lebensfreude, auch wenn jemand als Perfektionist - zum Beispiel ein Handstandakrobat - extreme Leistungen zu vollbringen hat. Er zeigt in jeder Show, wenn er seinen Act beendet hat, dass er selber genauso begeistert ist wie die Zuschauer. Das zieht sich wie ein roter Faden durchs Programm. Lebensfreude pur, das kann man wirklich sagen. Es ist wie Kurzurlaub vom Alltag, in dem man die Sorgen des Alltags für ein paar Stunden vergessen kann.

Genau dieses Gefühl haben Sie uns vermittelt, als Künstler aus Ihren Programmen einige Male beim Fest der Selbsthilfe aufgetreten sind. Es war ein tolles Geschenk des GOP an die Selbsthilfe. Gerne nochmal ein großes Dankeschön dafür.

Peiniger: Da nich für!

Herr Peiniger, wir sind in ein paar Tagen zum 5. Mal Gast in Ihrem Haus – aus Anlass des Essener Selbsthilfepreises, Sie begrüßen unsere Patinnen und Paten. Sie waren 2006 Conférencier bei der Verleihung des Preises. Sie sind in diesem Jahr Jurymitglied. Was beflügelt dieses ehrenamtliche Engagement?

Peiniger: 2006, als ich die Moderation gemacht habe, hat mich dieses Ereignis wirklich betroffen gemacht. Denn ich bin mit der großen Gnade von Gesundheit ausgestattet und kannte viele Krankheiten, die dort als Thema vorkamen, überhaupt nicht und kann mir vorstellen, welch unendliches Leid einem widerfährt. Und ein Stückchen dazu beizutragen, dass diese Gruppen unterstützt werden, das ist mir seitdem ein Anliegen. Ich bewundere diese Leute für ihr Engagement, und wenn es irgendwas gibt, was wir dazu tun können, dann werden wir das gerne machen. Natürlich tun wir das auch ganz gerne, weil wir hier in dieser Ecke versuchen unseren Nachbarn zu helfen. Und als Nachbarn sehen wir die WIESE ja auch hier.

Sie unterstützen damit das Prinzip des ehrenamtlichen Engagements. Warum braucht unsere Gesellschaft, unsere Stadt ehrenamtliches Engagement?

Peiniger: Ohne geht's gar nicht. Das sieht man ja an allen Ecken und Kanten. Außerdem sehnen sich ja auch viele Menschen danach, sich nützlich zu machen. Und das passt doch zusammen. Die einen brauchen Hilfe und für die anderen ist es ein gutes Gefühl nützlich zu sein, sich einbringen zu können in die Gemeinschaft. Ich denke die beiden Dinge brauchen einander und passen gut zusammen. Auch so kann Lebensfreude entstehen.

Wir sind Nachbarn hier im Quartier, wir sind gute Nachbarn, wir mögen uns. Sie bringen sich ein in die Diskussion über die Umgestaltung des Nordviertels. Was können wir erwarten in den nächsten Jahren?

Peiniger: Als das GOP hierhergekommen ist, waren die Zeiten und das Umfeld noch sehr viel schwieriger. Inzwischen hat sich ganz viel getan. Wir haben immer versucht, diesen Prozess zu unterstützen. Es haben sich in den letzten Jahren ein paar Dinge ergeben, die wirklich grandios sind. Das hätten wir mit all unseren Bemühungen, mit unserer ISG, mit der Immobilien- und Standortgemeinschaft, die wir hier mal gegründet haben, alleine nicht hingekriegt. Wir haben Großes gedacht, haben uns finanziell engagiert, haben zeitweise einen Quartiermanager engagiert und haben so einiges erreicht. Aber am Schluss ist es doch so, dass so großartige Leute wie Herr Wiesemann vom Unperfekthaus mit seinen Projekten Leben ins Quartier gebracht haben. Und wenn die Großbaustelle hier vorm Haus erst mal fertig ist, dann ist das ein Anziehungspunkt für viele Menschen, dann kommt hier Leben rein, das wird interessant und lebendig. Es wird Aufbruchsstimmung entstehen und dazu werden wir auch als GOP beitragen.

Da will ich weiterfragen. Haben Sie eine Vision für diese Stadt, der Sie doch seit vielen Jahren verbunden sind?

Peiniger: Ich möchte jetzt im Quartier bleiben. Die Vision ist, dass wir aus diesem Viertel ein Künstlerquartier machen. Diese Vision verfolgen wir eigentlich schon seit vielen Jahren. Deswegen freue ich mich, wenn Graffiti-Kunst erlaubt wird an einigen Stellen. Das muss nicht Schmiererei sein, das können ganz tolle Sachen sein. Ich freue mich, wenn Gebäudeeigentümer ihre leer stehenden Ladenlokale Künstlern anbieten, damit die ihre Bilder ausstellen können. Und ich glaube, dieses Vakuum, das hier mal geherrscht hat, kann durch Kunst ersetzt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen hat uns ja bereits den Stempel Kreativ-Quartier aufgedrückt. Dass wir diese Vision umsetzen können, davon wollen wir noch viele überzeugen.

Lieber Herr Peiniger, danke für Ihr Engagement, danke für das engagierte Gespräch und auf weiterhin gute, gedeihliche Nachbarschaft!

Das Gespräch führte Karl Deiritz.